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Druckversion der Seite: Schlacht bei Worringen - Kölner Bürger erkämpfen die Freiheit (1288) - Donnerstag, 18. April 2024
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Schlacht bei Worringen - Kölner Bürger erkämpfen die Freiheit

Schlacht bei Worringen

von Toni Jägers

Toni Jägers wurde 1919 in Eschweiler geboren. Ab 1946 war er als Lehrer, später als Konrektor in Worringen tätig. Hier begann auch seine Liebe zum Darstellen von Geschichte und Geschichten seiner Umgebung. Neben seinem großen Engagement im schulischen Bereich - ihm wurde hierfür der Bundesverdienstorden am Bande verliehen - befaßte er sich nun immer mehr mit der Vergangenheit Worringens. Diesem Interesse verdanken wir seinen Beitrag in der ERSTEN KÖLNER BIERZEITUNG. Toni Jägers lebt heute im Ruhestand.

 

Im Sommer 1988 jährte sich zum 700. Mal das für die Geschichte des gesamten europäischen Nordwestens, aber auch für die Stadt Köln, wichtige Ereignis: die Schlacht bei Worringen 1288. Sie war in erster Linie eine Auseinandersetzung der Territorialherren im niederrheinischen und nordwestdeutschen Raum. Sie entschied und gestaltete die Landkarte und das politische Antlitz dieses Gebietes bis zur französischen Revolution.

In der älteren Geschichtsschreibung ist die Worringer Schlacht etwas einseitig aus Köln historischer Sicht dargestellt worden. Da liest man bei einigen Historikern, die Kölner Bürger hätten sich gegen den "bösen erzbischöflichen Stadtherrn und Unterdrücker" erhoben. Sie seien gen Worringen gezogen, um ihm und seiner Herrschaft in einer blutigen Schlacht den Garaus zu machen. Nach ihrem Sieg seien sie endgültig frei geworden und hätten die Reichsfreiheit ihrer Stadt erkämpft. So tönt es auch durch Sagen und Legenden bis in unsere Zeit, sogar noch im Worringen Lied der "Bläck Fööß". Die Wirklichkeit um die damaligen Ereignisse, und wie es dazu kam, und was sie zur Folge hatten, war etwas komplizierter. In der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts war das Streben nach einer rheinisch westfälischen Großraumpolitik bei den Erzbischöfen von Köln als mächtige weltliche Fürsten auf einem Höhepunkt angelangt. In Worringen ging es darum nicht allein um die Loslösung der Kölner Bürger von der weltlichen Herrschaft der Erzbischöfe, nicht nur um die Sicherung ihrer politischen Selbständigkeit und Unabhängigkeit.

Der Streit um die Erbfolge im Herzogtum Limburg, ein zentral gelegenes Gebiet südwestlich von Aachen, das eine Schlüsselstellung im Nordwesten darstellte und seinen Besitzer zum mächtigsten Herrn am Niederrhein machte, war der äußere Anlass der Auseinandersetzungen zwischen Graf Reinald von Geldern und Graf Adolf von Berg, die beide Besitzansprüche geltend machten. Da beide zu schwach waren, den Erbfolgestreit selbst zu entscheiden, gewannen sie Verbündete beim gesamten rheinischen Adel. Mächtigster Bundesgenosse des bergischen Grafen war Herzog Johann 1. von Brabant, dem er seine Erbansprüche für 32.000 Gulden abgetreten hatte. Dieser wurde nun für den Kölner Erzbischof, Siegfried von Westerburg, ein mächtiger Gegenspieler am Niederrhein. Deshalb schlug sich der Bischof auf die Seite Reinalds von Geldern. Die Kölner, die noch im Juli 1287 Siegfried von Westerburg Treue geschworen hatten, schwenkten in das Lager des Brabanters um, wohl ahnend, dass ein Sieg des Erzbischofs dessen Vormachtstellung am Niederrhein noch vergrößern würde und ihre im Verlauf von 200 Jahren mühsam erstrittenen Rechte und Freiheiten genommen würden.

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Herzog Johann lagerte mit seinen Kriegsvölkern auf der "kahlen Erhebung am Worringer Bruch". Seine Gegner befanden sich am 4. Juni 1288 bei Bedburg und Bergheim. Der Erzbischof zelebrierte am frühen Morgen in der Abteikirche zu Brauweiler eine hl. Messe. Seine Heeresmacht war dem Feind zahlenmäßig überlegen. Siegfried war so fest von seinem Sieg überzeugt, dass er Wagen voll Ketten und Seilen mitführen ließ, um damit die gefangenen Feinde zu binden. Es ging in der Hauptsache darum, viele Gegner gefangen zu setzen, Beute an Waffen und Rüstungen zu machen und Lösegelder zu erpressen, weniger darum, sie zu töten.

Am nächsten Tag, dem 5. Juni 1288, kam es bei Worringen zur blutigen Entscheidungsschlacht. 10000 12 000 Kämpfer sollen sich gegenübergestanden haben. Historisch fundierte Berichte vom Verlauf und den kriegerischen Einzelheiten der Schlacht gibt es außer der Chronik des Jan van Heelu, des Geschichtsschreibers am Hofe Herzog Johanns von Brabant, nicht. Er lokalisiert auch in etwa den Schlachtort zwischen Rhein und Worringer Bruch.

Weil der Erzbischof zuerst gegen seinen Intimfeind Johann von Brabant anstürmen wollte, durchbrach er die Schlachtordnung und stiftete mit diesem taktischen Fehler heillose Verwirrung. Die Schlacht, die morgens gegen 9 Uhr begonnen hatte, nachdem Angehörige des Deutschen Ordens mit letzten Vermittlungsversuchen gescheitert waren, löste sich gegen Mittag in mörderischen Einzelkämpfen auf, denen die bergischen und kölnischen Truppen ein Ende setzten und die Entscheidung herbeiführten, nachdem Siegfried von Westerburg, dessen ritterliche Tugenden ausdrücklich gerühmt wurden, gefangen worden war. Er wurde über den Rhein nach Monheim und von dort nach Schloß Burg an der Wupper gebracht. Mit ihm war auch der erzbischöfliche Standartenwagen erbeutet worden. Lange Jahre bildete der berühmte Streitwagen ein Prunkstück des Kölner Zeughauses.

Auf der blutigen Walstatt lagen am Abend viele Tode und Pferdeleichen. Die Blüte der rheinischen Ritterschaft, darunter auch Gerhard von Overstolz, der Anführer der Kölnischen, war gefallen. Die vielen Gefangenen, die sich ergeben hatten, wurden vom Herzog von Brabant begnadigt, darunter auch Adolf von Nassau, der spätere König. Nach seiner Freilassung wurde der Erzbischof aus der Stadt verdrängt. Er zog sich auf die Burgen seines Landes (Lechenich, Brühl, Bonn) zurück. Durch seine Niederlage war die stadtherrliche Gewalt des Erzbischofs entscheidend erschüttert. Ein wirksamer Einfluss auf die gemeindliche Selbstverwaltung der Bürger war ihm entzogen. Um 1500 wählten die Kölner Erzbischöfe Bonn zu ihrer ständigen Residenz.

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In einem Weingarten an der Severinstraße - einem erzbischöflichen Grundstück - ließ die Stadt zum Dank für den Sieg bei Worringen eine Kapelle zu Ehren des hl. Bonifatius errichten. Sein Todestag, der 5. Juni, war ja der Tag der Schlacht. Die Kölner feierten alljährlich einen Dankgottesdienst in der Bonifatiuskapelle, an dem der Rat teilnahm. Anschließend fand ein gemeinsames Essen im Rathaus statt. So wurde der 5. Juni im Laufe der Jahre ein Feiertag für Köln. - Die Bonifatiuskapelle soll bis zum Jahre 1806 bestanden haben.

Der Sieg bei Worringen bedeutete für Köln die Unabhängigkeit vom erzbischöflichen Stadtherrn. Faktisch wurde Köln 1288 eine "Freie Reichsstadt", wenn auch die offizielle Erhebung dazu erst 1475 durch Kaiser Friedrich 111. erfolgte. Köln ist sich auch später des Sieges von Worringen bewußt geblieben. Das zeigt eine um 1660 entstandene Darstellung der Schlacht, die im Stadtmuseum aufbewahrt wird. Auf ihr sind als Repräsentanten der Stadt die Gestalten des Kölner Bauern und der Kölner Jungfrau zu sehen. Da heißt es beim Bauern, der einen Dreschflegel und die Stadtschlüssel trägt:

"Vor Worringen uf dem weiten plan lies ich mein flegel umbher gahn. Erwarb damit die Schlüssel fein und trag sie noch am arme mein".

Abschließend sei festgestellt: Für die folgenden Jahrhunderte waren die Territorialverhältnissee am Niederrhein nun festgeschrieben. Der Versuch des Erzstiftes Köln, eine Vormachtstellung im Nordwesten Europas zu erlangen, war endgültig gescheitert. Die lang anhaltenden politischen Folgen dieses Kampfes waren groß und sind uns heute in der Rückschau voll bewusst.

Der nach dem Sieg bei Worringen erfolgte Zusammenschluss von Brabant und Limburg bereitete - so meinen einige Historiker - die Loslösung der Niederlande vom Deutschen Reich vor. Nach 1288 hatte Herzog Johann 1. von Brabant eine zentrale Machtposition im Nordwesten Europas gewonnen und damit die Grundlagen für den belgischen Staat überhaupt erst gelegt. Für die territorialen Veränderungen auf der Landkarte, für große Gebiete des heutigen Deutschlands, Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs, wurden damals die Grundlagen geboren, die später zu deren Selbständigkeit führten.

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